Pressemitteilung: Breites Bündnis fordert Demokratisierung von Schulen als Reaktion auf Europawahl

Angesichts hoher Zuspruchswerte für rechtsextreme Parteien bei der EU-Wahl fordern Teachers for Future Germany e.V. und Fridays for Future Deutschland zusammen mit dem Bündnis „Bildungswende JETZT!“ von den Kultusministerien verstärkte Anstrengungen im Bereich politischer Bildung und eine umfassende Demokratisierung der Schulen.

Die Ergebnisse der Europawahlen und der Juniorwahl in Deutschland[1] seien auch ein Weckruf für die Schulen. „Politische Bildung spielt in der Schule viel zu oft eine untergeordnete Rolle“, kritisiert Teachers for Future-Vorsitzende Nora Oehmichen. Die Marginalisierung des Faches Politik sowie die übervollen Lehr- und Prüfungspläne lassen diese elementare Querschnittsaufgabe häufig zu einer Institutionenkunde verkommen. „Für eine echte Befähigung zur demokratischen Teilhabe fehlt Lehrkräften schlicht die Zeit – und manchmal auch der Mut.“ Für eine Debatte über aktuelle Krisen mit Schüler:innen gebe es ebenso wenig Raum wie für deren Sorgen und Belange. Dies kritisiert auch Andreas Niessen, Schulleiter in Köln: „An allen Schulformen wollen und müssen junge Menschen spüren, dass sich die Erwachsenen wirklich für sie interessieren. Interesse vermittelt sich über Beziehung, aber für den Aufbau guter Beziehungen ist in den Bildungs- und Prüfungsplänen keine Zeit vorgesehen.“

Rechtsruck unter Jugendlichen: Weckruf für die Kultusministerien

Die Post-Corona-Generation fühlt sich im Angesicht multipler Krisen machtlos, wie die neuste Sinus-Studie belegt[2]. Die Lücke, die entsteht, wenn ihre Sorgen nicht adressiert werden, schließen u.a. Influencer:innen auf Social Media-Kanälen wie TikTok. Hier ist die als rechtsextremer Verdachtsfall eingestufte AfD aktiver als alle anderen Parteien zusammen[3]. Jugendliche werden so allein gelassen mit rechtspopulistischer Propaganda. Daher braucht es umfassende Medienbildung, um der Desinformation eine politische Analyse- und Urteilskompetenz entgegenzusetzen.

Die hohen Zustimmungswerte zu rechtsextremen Parteien müssen auch in den Kultusministerien die Alarmglocken schrillen lassen: „Die Schule hat alle großen Krisen der letzten Jahre verschlafen: Sie hat viele Jugendliche in der Pandemie allein gelassen, reagiert zu wenig auf die Klimakrise und den Krieg in Europa, und versäumt es, angemessen auf die sozialen Medien und KI zu reagieren. Wenn wir jetzt auch die Demokratiekrise aussitzen, statt das Bildungssystem zu reformieren, gefährden wir nicht nur Kinder und Jugendliche, sondern das Fundament unserer demokratischen Gesellschaft“, so Markus Sänger, Sprecher des breiten Bündnisses „Bildungswende JETZT!“.

Echte Teilhabemöglichkeiten in der Schule notwendig

Echte politische Bildung und Teilhabe findet derzeit in der Regel eher in außerschulischem Engagement statt. Ausgehend von Erfahrungen betont die Schülerin Frieda Egeling, Sprecherin von Fridays for Future Deutschland: „Wenn die Schule aktuelle Krisen ignoriert, statt sie einzuordnen und zu diskutieren, versteht sie politische Neutralität falsch und wird zu einem gänzlich unpolitischen Ort. Das können wir uns nicht leisten. Es kommt darauf an, schon früh über die Herausforderungen unserer Gesellschaft und die Chance, die eigene Stimme darin zu nutzen, aufzuklären, um unsere Demokratie auch in Zukunft zu sichern. Doch auch die Politik muss endlich mehr für junge Menschen tun. Viele haben das Gefühl, dass ihre Probleme von der Politik nicht angegangen werden!“

JProf. Dr. Steve Kenner, Leiter des Faches Politikwissenschaft und ihre Didaktik an der PH Weingarten, ergänzt: „Die Forschung zeigt, dass sich bereits Kinder mit politischen Fragestellungen auseinandersetzen und Partizipationserfahrungen wichtige Bildungsgelegenheiten sind. Aufgrund adultistischer Strukturen nehmen junge Menschen die Schule aber noch immer als Lehranstalt und nicht als Lernort der Demokratie wahr. Sie haben nicht das Gefühl, als politische Subjekte adressiert und ernst genommen zu werden.“

Deshalb braucht es eine umfassende Demokratisierung der Schulen. Junge Menschen müssen mitgestalten können, um gesehen und ernst genommen zu werden. Wer sich einbringen kann, erlebt Selbstwirksamkeit und baut Resilienz auf. Das stärkt die Jugendlichen und unsere Demokratie insgesamt.

Schüler:innen und Lehrkräfte für die Demokratie befähigen

Wie Partizipation an Schule gelingen kann, sieht man z.B. an der Kölner Heliosschule, einer inklusiven Gesamtschule. Dort gehören verbindliche demokratische Rituale wie Klassenparlamente, zum Alltag: „Hier können Kinder und Jugendliche lernen, Konflikte zu bearbeiten, Meinungsverschiedenheiten auszuhalten und Kompromisse zu finden“, erklärt Schulleiter Andreas Niessen. Insbesondere muss der S(M)V-Arbeit eine Gestaltungskompetenz zukommen, die über die Ausrichtung von Schulfesten hinausgeht. Jugendpartizipation muss das Grundprinzip der gesamten schulischen Bildung sein.

Deswegen fordern TFF, FFF und das Bündnis „Bildungswende JETZT!“ in Anlehnung an die Position der Deutschen Vereinigung für Politische Bildung[4] eine zeitnahe Weiterbildungsoffensive für alle pädagogischen Mitarbeiter:innen im Bildungssystem sowie mehr finanzielle Mittel und mehr strukturell im Stundenplan verankerte Zeiträume für politische Bildung[5]. Die Kultusminister:innen müssen Lehrkräfte zu mehr politischer Bildung ermutigen und ihnen dabei deutlich den Rücken stärken. „Wer – wie jede Lehrkraft – dazu verpflichtet ist, das Grundgesetz zu verteidigen, darf diesem Rechtsruck nicht tatenlos zusehen“, schlussfolgert Nora Oehmichen.

Pressekontakt

Teachers for Future Germany e.V.
Lena Wagner, sie/ihr (Pressesprecherin)
www.teachersforfuture.org
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Telefon: 01522/7515437

Pressestelle Fridays for Future Deutschland
Mail: \">
Telefon: 0431 5357 983

Bildungswende JETZT!
Markus Sänger
Telefon: 0160 97992737


[1] https://www.juniorwahl.de/europa-2024.html

[2] https://www.sinus-institut.de/media-center/news/sinus-jugendstudie-2024

[3] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/afd-tiktok-erfolg-strategie-jugendliche-100.html

[4] https://dvpb.de/nicht-neutral/

[5] https://www.bildungswende-jetzt.de/ueber-uns/appell/


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